Es war einmal ein kleines Dorf,
umgeben von dichten Wäldern und sanften Hügeln.
In diesem Dorf lebten Menschen, die den Winter liebten.
Sie genossen es, sich in dieser kalten und
dunklen Jahreszeit im Warmen einzukuscheln.
Die Bewohner hatten eine besondere Tradition:
das Geschichtenerzählen.
Sobald es draußen dunkel wurde,
versammelten sie sich in gemütlichen Räumen,
um den Erzählungen zu lauschen.
Es gab Geschichten über Abenteuer, Liebe, Fantasie und
dann gab es die ganz besonderen Geschichten,
die von den eigenen Erlebnissen der Bewohner handelten.
Die Menschen glaubten fest daran,
dass die Welt aus Geschichten gemacht war!
Eine gute Geschichte war für sie ein wertvolles Geschenk,
das sie miteinander verband.
Sie fühlten sich als Teil einer größeren Geschichte,
die alle Menschen und die mehr-als- menschliche Welt
miteinander verband.
Ich möchte Dir eine Geschichte erzählen.
Hol Dir eine Decke, zieh Dir warme Socken an
und vielleicht magst du eine Kerze anzünden.
Mach es Dir bequem und hol Dir eine Tasse Tee.
Ich erzähle Dir eine Geschichte, die dich verzaubern wird. :)
Dies ist die wahre Geschichte einer Frau,
die einem Ruf folgt und sich aufmacht zu einem ganz besonderen Naturgang -
einem sogenannten Schwellengang.
Was ist ein Schwellengang?
Ein Schwellengang ist eine besondere Spielart, in der Natur unterwegs zu sein.
Du trittst bewusst über eine von dir gebaute Schwelle
in eine mehr-als-menschliche, beseelte Welt ein.
Es ist kein gewöhnlicher Spaziergang oder eine Wanderung,
sondern vielmehr ein Raum des Verweilens und des Erkundens in der Natur.
Ein Beziehungsraum zwischen den Naturwesen, der Landschaft und Dir!
Ein Raum, in dem sich Deine innere Welt und Dein Innenempfinden mit
der äußeren Welt und Deiner Wahrnehmung der Atmosphäre
verbinden und interagieren.
Du kannst nichts falsch machen- aber auch nichts richtig ; )
Es geht um Deine Erfahrung und um Deine Wahrnehmung!
Und die ist immer wahr, so wie sie ist!
Es ist gut, wenn Dich eine kundige Person in die Spielart
des Schwellengangs einweist.
Diese kundige Person wird dir auch einen Impuls mit auf deinen Schwellengang geben.
Ein Impuls ist wie eine Einladung und hat oft etwas mit der Jahreszeit
oder Deinen momentanen Lebensfragen zu tun.
Du kannst dem Impuls folgen oder auch nicht - wie es sich ergibt-
es ist Deine Erfahrung und Wahrnehmung, die zählt.
Heute möchte ich Dir von dem Schwellengang einer Frau erzählen.
Sie hat alles dabei, was sie braucht, um 2-3 Stunden im Wald zu verbringen.
Sie baut sich eine Schwelle aus einem Stück Totholz und Federn,
die sie seit längerem in ihrer Manteltasche mit sich trägt.
Ihre kleine Tochter hat sie ihr geschenkt.
Bevor sie über ihre Schwelle tritt, hält sie kurz inne,
atmet bewusst ein und aus und nimmt die Qualität der Jahreszeit wahr.
Es ist früher Winter und der Wald zeigt sich
in einer angenehmen Stille und Ruhe.
Die Frau fühlt sich ruhig und entspannt,
es ist kühl ist, aber noch nicht so richtig "winterkalt".
Und dann geht sie über die Schwelle
Sie erinnert sich an den Impuls der kundigen Frau:
"Gehe über die Schwelle und werde ganz schnell, hab es eilig,
keine Zeit zum Verweilen,
du eilst durch die Landschaft..."
Sie realisiert, dass dies die Energie ist,
die sie oft in der Menschenwelt wahrnimmt -
alles muss schnell gehen, keine Zeit zum Innehalten,
ein ständiges Hasten und Eilen...
Und sie geht los, schnell und eilig, fast läuft sie durch den Wald.
Sie kommt am Zwillingsbaum vorbei, einem Kraftbaum ihrer jüngsten Tochter. Normalerweise bleibt sie dort stehen und geht kurz in Kontakt
mit dem Baumwesen, aber jetzt ist keine Zeit dafür.
Es muss weitergehen, schnell voran, schnell, schnell...
Da merkt sie, wie tiefe Traurigkeit in ihr aufsteigt.
Sie betrauert, dass sie in diesem eiligen Tempo
eigentlich nichts wahrnehmen kann,
dass sie nicht in Beziehung mit den Naturwesen gehen kann.
Sie spürt, wie oberflächlich ihre Wahrnehmung von Allem wird.
Sie erinnert sich an die Worte der kundigen Frau:
"...nachdem du eine gute Weile so eilig durch den Wald gekommen bist, bleibe plötzlich stehen, drehe dich um und frage laut: 'Wer bist du?'"
Also bleibt sie stehen, dreht sich um und fragt:
"Wer bist du?"
Ihre Stimme hallt im Wald wider und
sie erschrickt ein wenig über ihre eigene Lautstärke!
Und die Antwort kommt gleich:
"Ich bin die Angst."
Die Angst ist also diese Antreiberin!?
Sie ist tief bewegt und sie wird ganz ruhig.
Die Frau genießt nun den langsamen Schritt,
ganz langsam und behutsam geht sie nun weiter!
Sie freut sich, dass sie nun Zeit hat alles wahrzunehmen!
So kommt sie zu einem Platz, an dem eine umgefallene Rotbuche liegt.
Der Wurzelstock ragt in die Höhe und hat eine flache breite Mulde hinterlassen.
Sie spürt einen deutlichen Impuls:
"Lass Dich hier verweilen"
Und sie setzt sich ins Laub.
Sie bemerkt einige kleine Rotbuchenbabys, die in der Mulde gewachsen sind.
Der Anblick dieser kleinen Bäumchen ist für sie wie ein zarter Trost!
Dann fällt ihr Blick auf den Wurzelstock und da scheint es ihr,
als ob sie ein Gesicht erkennen kann -
die Wurzeln, die da in die Höhe ragen, von Erde umspielt,
schauen aus wie eine schief verzogene Fratze mit Wurzelkrallen,
die nach etwas zu greifen scheinen.
"Und wer bist du?",
fragt die Frau, diesmal ganz leise.
"Ich bin die Angst, die in den Wurzeln sitzt",
hört sie die Wurzelfratze sagen.
Sie nimmt sich Zeit und lauscht
und versucht, auf irgendeine Weise
Kontakt zu diesem "Wurzelwesen" aufzunehmen.
Plötzlich ist ihre Großmutter da, die während des Krieges fliehen musste
und auf der Flucht den Tod ihres Babys verkraften musste!
Die Frau lässt ihre leisen Tränen laufen und spürt gleichzeitig
ein friedvolles Gefühl in sich aufsteigen.
Sie verweilt noch eine Weile an dem Platz,
döst ein wenig und nimmt sich Zeit alles wahrzunehmen, was sie umgibt.
Sie atmet ruhig und ist ganz entspannt!
Dann geht sie langsam in einem großen Bogen durch den
stillen Wald zurück zu ihrer Schwelle!
An ihrer Schwelle hält sie wieder kurz inne, atmet tief ein und aus
und geht über die Schwelle zurück!
Die Schwelle löst sie hinter sich sorgsam auf.
Eine Feder lässt sie liegen, die anderen steckt sie wieder in ihren Mantel!
Das Auflösen der Schwelle ist wie ein kleines Ritual,
das den Schwellengang nun beendet!
Sie geht nach Hause und nimmt ihr poetisches Tagebuch,
Stifte und Farben, zündet eine Kerze an und gibt
etwas Räucherwerk auf ein Stövchen
- es ist wie eine Zeremonie zu Ehren des Erlebten!
Sie wählt Kohle und weiche Bleistifte und ihre Aquarellfarben.
Dann beginnt sie auf der leeren Seite Linien zu ziehen, Spuren und Linien,
...sie lässt ihre Gefühle und Eindrücke, die sie aus dem Schwellengang
mitgebracht hat, durch ihre Hand und den Stift
einfach als Spur auf dem Papier geschehen.
Sie denkt nicht darüber nach. Sie tut einfach.
Sie ist ganz im Hier und Jetzt und
dennoch verbunden mit der Geschichte im Wald!
Und es fließen Worte in ihr Bewusstsein,
die sie am Rand des Papiers niederschreibt.
"Worte aus dem poetischen Raum",
so nennt sie die kundige Frau,
"Diese Worte entspringen einer anderen Quelle, nicht dem Verstand", sagt sie,
"lass sie einfach fließen, so wie sie auftauchen"
Und sie lässt die Worte zu, ohne zu wollen, ohne zu werten...
es entsteht ein kleines Singsang, ein zartes Lied über die Angst,
die in den Wurzeln sitzt!
Es ist wie ein sanftes, liebevolles, tiefes Eintauchen in etwas,
das es zu verschmerzen gibt.
Und das, so ahnt sie, seit vielen Generationen!
Sie weiß, dass sie bald ihre Geschichte, das, was sie im Wald erlebt hat,
der kundigen Frau erzählen wird.
Diese wird ihre Geschichte dann "spiegeln".
Die Frau spürt Vorfreude in sich aufsteigen - ihre eigene Geschichte noch einmal erzählt zu bekommen und sie dadurch auf magische Weise noch einmal zu erleben,
ist immer ein Geschenk.
Die kundige Frau erzählt mit ihren Worten,
webt sich behutsam und liebevoll in die Geschichte hinein
und lässt dabei "Spuren" sichtbar werden,
die der Frau zuvor verborgen geblieben sind.
Sie weiß, dass ihre "heilige" Geschichte dadurch noch einmal gewürdigt wird und dass sie daraus weitere Erkenntnisse gewinnen wird,
die sie als kleine Schätze mitnehmen darf!
"Ein Schwellengang ist wie eine kleine Auszeit in der Natur!
Die natürliche Welt bringt uns Antworten,
die aus der wilden, unbekannten Tiefe der menschlichen Seele emporwächst.
Eine Antwort, die Künstler in Farbe, Musik und Bewegung
zu bannen versuchen.
Es ist wie ein zartes, inniges Zwiegespräch
mit dem Innersten und dem großen Ganzen!
Eine kleine Miniauszeit,
die unseren Alltag seelentauglicher machen kann!" ©Lilian Fritz
Das war die wahre Geschichte einer Frau, die sich aufmachte...
...über die Schwelle, hinein in einen beseelten Raum, um tief zu lauschen!
Es kann wirklich magisch sein,
einen solchen Schwellengang zu erleben.
Vielleicht bist Du neugierig geworden?
Vielleicht magst Du das auch einmal ausprobieren?
Ich arbeite seit vielen Jahren mit Menschen in meinen
Einzelbegleitungen auch mit Schwellengängen
sowohl in der Vorbereitung als auch in der Nachversorgung.
Diese Begleitung ist sowohl persönlich in meinen wunderschönen
Praxisräumen in Altenberg bei Wien, als auch online möglich.
Falls Dich das interessiert, kannst Du Dir gerne mal ein
unverbindliches InfoGespräch ausmachen.
Schreib mir gerne über das Kontaktformular!
Auch bei den WildnisWeise-Naturauszeiten sind
Schwellengänge ein festes Ritual.
Die nächste Auszeit ist die FrühlingsWeise
von 16.-19. Mai 2024 im wunderschönen Pielachtal!
Vielleicht hast Du ja auch schon selbst mehrmals einen Schwellengang gemacht,
vielleicht sogar ohne es genau als solchen benennen zu können...
...jetzt hast du einen Namen dafür : )
Vielleicht sehnst Du Dich nach einem begleiteten Raum, um noch tiefer in die Geschichte eintauchen zu können,
vielleicht ruft es Dich einmal einem "Spiegel" zu bekommen!?
Nun möchte ich Dir noch von ganzen Herzen eine feine und friedvolle Zeit wünschen
Spread love, shine your light and...
stay wild : )
Lilian
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